Der "führende Spezialreiseveranstalter für Wellness- und Gesundheitsreisen im deutschsprachigen Raum" sucht einen Freelancer Webdesign. Hier ist der Link zum Stellenangebot. Der Job besteht aus nicht weniger als dem Redesign des Webauftritts. Ein Responsive Design soll es werden, wenn man davon ausgeht das "adaptiv" damit gemeint ist. Der werte Freelancer soll "kreativ und stilsicher, mit einem guten Auge für harmonische Farbkompositionen und stimmige Layouts" sein. Das schränkt die Sache schon mal ein, auch wenn natürlich jeder Freelancer denkt er würde angesprochen. Um sicher zu gehen wird deshalb ein "Studium der Fachrichtung" gewünscht. Das mindert die Zahl der Bewerber und lässt den hohen Anspruch erkennen.
Es geht hier um nichts weniger als das komplexe Redesign eines führenden deutschen Reiseveranstalters durch einen studierten Spezialisten. Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt. Und deshalb verspricht der "führende deutsche Spezialreiseveranstalter für Wellness- und Gesundheitsreisen im deutschsprachigen Raum" auch eine "attraktive Bezahlung". Es sind genau... Drums please... 20€/h!

Wieviel sind 20€ die Stunde genau?

20€/h für einen Freelancer. Das sind ca. 3200€ im Monat. Klingt doch gar nicht so schlecht, oder? Ein Freelancer ist allerdings ein Selbstständiger der selten eine hundertprozentige Auslastung hat, weil kaum einmal ein Auftrag dem nächsten folgt. Wenn er Glück hat ist er zu 70% ausgelastet, den Rest der Zeit verbringt er mit akquirieren, Angebote und Rechnungen schreiben und sich weiterbilden. Bei einer durchschnittlichen Auslastung von 50-70% verringert sich das Bruttogehalt bei einem Stundensatz von 20€ somit auf ca. 2000€ im Monat. Nach Abzug der Steuern sind es noch ca. 1700€. Ein Selbstständiger trägt aber alle Risiken selbst, er muß sich also selbst undefinedversichern. Eine Krankenversicherung kostet im Monat zwischen 300 und 600€. Schon schrumpfen die 1700€ auf ca. 1250€ zusammen. Natürlich muß sich der Freelancer auch noch für das Alter und gegen Berufsunfähigkeit versichern, und eine Haftpflicht muß leider auch noch sein. Da ziehen wir doch von den 1250€ flugs noch einmal konservative 450€ ab, und landen bei 800€ im Monat.

Aber damit nicht genug. Um den Auftrag, den Webauftritt, erfüllen zu können braucht es nicht nur Software und PC sondern auch Tablet und Smartphone, denn auf allen diesen Geräten muß die Website getestet werden um tadellos zu funktionieren. Und vergessen wir nicht die Fachliteratur, denn nirgends ändern sich die Technologien und Konzepte schneller als im Webbereich. Also subtrahieren wir von den 800€ pro Monat noch einmal 200€ um die technische Ausrüstung, Software und Literatur zu finanzieren.

Somit verbleibt ein Nettolohn von 600€
, von dem dann das Leben bestritten wird. Klingt nicht mehr ganz so gut, oder?

PS: ein Auto muß ein freier Webdesigner dann übrigens aus diesem Betrag privat finanzieren, weil er es leider nicht oft genug geschäftlich einsetzen kann um die Anschaffungskosten steuerlich geltend machen zu können.

Dumpinglohn für Spezialisten

Ein "kreativer und stilsicherer", und studierter, Designer soll also den Webauftritt des "führenden Spezialreiseveranstalters für Wellness- und Gesundheitsreisen im deutschsprachigen Raum" komplett neu gestalten, um am Ende mit 600€ im Monat nach Hause zu gehen. Das zu verlangen ist einerseits frech vom Auftraggeber, und andererseits wirtschaftlich für den Freelancer nur mittels Subventionierung durch das Arbeitsamt oder die Oma machbar. Schöne neue Arbeitswelt.

Aber wie hoch wären eigentlich die Kosten wenn dieser Arbeitgeber den Mitarbeiter anstellen würde? Wenn er also auch den Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung, freiwillige Leistungen wie Pensionsfonds oder vermögenswirksame Leistungen, Kosten für Weiterbildung und die Betriebsmittel trägt? Dankenswerterweise findet sich auf Jobhopper eine Auflistung nicht nur der durchschnittlichen Gesamtkosten bei Anstellung sondern auch das jeweils gleichwertige Freiberufler-Honorar (die Berechnungsmethode findet sich dort auch). Ein ausgebildeter Kommunikationsdesigner mit diesem Anforderungsprofil ist nicht aufgeführt, also nehmen wir hier doch einfach mal den Softwareentwickler. 75.000€ jährlich oder rund 70€ Stundenhonorar.

Der ""führende Spezialreiseveranstalter für Wellness- und Gesundheitsreisen im deutschsprachigen Raum" möchte also durch die Auslagerung der Arbeit auf einen externen Mitarbeiter seine betriebliche Flexibilität massiv erhöhen und gleichzeitig die Absicherung der Lebensrisiken komplett auf diesen Mitarbeiter auslagern. Und er zahlt ihm dafür ein Stundenhonorar das 70% unterhalb seiner Kosten bei Anstellung liegt. Das ist nicht seriös.

Hoffentlich gilt bei diesem Angebot daher: If you pay peanuts, you get monkeys.